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Chronik der RSG Hannover von 1964 bis 1989

Wie es anfing und wohin es führte.

Üblicherweise wird, wenn irgend etwas 25 Jahre unbeschadet oder sogar in wiedergefundener alter Frische überstanden hat, nach Gründen hierfür gesucht und selbstzufrieden Rückschau gehalten.

Rückschau wollen wir […] auch halten, dabei soll versucht werden, Vergangenes zu bewahren, Vergessenes wieder sichtbar zu machen und Unbekanntes ans Licht zu bringen. 
Vor allem die neu hinzugewonnenen Sportkameraden mögen aus diesen Zeilen Verständnis und Verbundenheit zu unserer RSG und ihrer kurzen Geschichte finden.

Im Sommer 1964 nahmen die Pläne zu einer Fusion der alteingesessenen hannoverschen Radsportvereine RC Wanderlust von 1908 und Club Hannoverscher Herrenfahrer von 1923 immer mehr Gestalt an. Waren die Rennsportler von Wanderlust vor allem auf der Bahn führend in Norddeutschland, so boten die Herrenfahrer im Wandersport ein Gegengewicht. Was lag also näher, als bei allgemein rückläufigen Mitgliederzahlen, aus beiden Vereinen eine funktionsfähige Einheit zu schaffen? Auch deshalb, weil beide Vereine jahrelang nebeneinander das gleiche Domizil hatten, nämlich die beiden Clubräume in der etwas altväterlichen Gaststätte Viebranz, an der Ecke Oeltzenstraße-Gerberstraße.

In den Jahren zuvor hatten schon immer wieder Aktive aus anderen Vereinen zum RC Wanderlust gefunden.
Dieser erste bedeutsame Zusammenschluss zweier namhafter hannoverscher Radsportvereine, sollte nun den großen Sprung nach vorn bringen. Doch schon im Vorfeld war deutlich geworden, dass dies nicht ohne Verluste abgehen würde.

Viele „Traditionalisten“ verließen hüben wie drüben ihren Club, empört wandten sie ihrem Radsport ganz den Rücken oder verschwanden namenlos in den Reihen anderer vereine, von wo sie zornig und verbittert auf den Aufschwung blickten, den die RSG nahm.
Hätten sie doch ihre Erfahrungen und Traditionen in den neuen Club eingebracht, es wäre nicht verloren gegangen.

Nach langer Vorbereitung, an der in besonderem Maße die Kameraden Erwin Schmidt, Dieter Reusche, Adalber Becker, Wolfgang Aselmann, Otto Osterwalder, Klaus Harnach, Wolfgang Rost, Walter Taplan und Georg Lüders als Vorstandsmitglieder der alten Vereine ihren Anteil hatten, war es so weit: für den 15. November 1964 wurde die Gründungsversammlung in die „Union-Quelle“ am Klagesmarkt einberufen.

Der Wirt hieß damals Heinz Böttcher, er ist noch heute unser Clubwirt an gleicher Stelle und er wurde an diesem Tag das erste Mitglied der Radsportgemeinschaft Hannover.

Die Anwesenheitsliste verzeichnete 40 Mitglieder und der erste gewählte Vorstand der RSG hatte folgende Zusammensetzung:

1. Vorsitzender: Erwin Schmidt
2. Vorsitzender: Dieter Reusche
1. Kassierer: Wolfgang Aselmann
2. Kassierer: Walter Taplan
Protokoll: Otto Osterwalder
Rennfahrwart: Adalber Becker
Wanderfahrwart: Georg Lüders
Jugendleiter: Dieter Reusche
Materialwart: Klaus Harnach

Den Ehrenrat bildeten Josef Haupka, Erich Zander und Karl Behrendt.
Der als Gast anwesende Karl Köther, Olympiamedaillengewinner von 1928, wurde von der Versammlung mit der Ehrenmitgliedschaft ausgezeichnet.

Das Vereinsleben ging zügig weiter. Schnitzeljagd am 18.11. und als erste Großveranstaltung, bereits eine Woche nach Gründung, ein Querfeldeinrennen auf nationaler Ebene, im Reiterstadion Vahrenheide.
Die Meldeliste umfasste ca. 80 Amateure und 35 Jugendfahrer! In dieser Disziplin hatte auch die RSG mit Horst Wronka bei den Amateuren und Rainer Ripphoff in der Jugend, aussichtsreiche Fahrer am Start.

Dieses Querfeldeinrennen sollte den den Namen der RSG in den nächsten Jahren genauso bekannt machen, wie der alljährliche, im Mai in der Eilenriede ausgetragene WOP-Preis, der noch bis Mitte der 70er Jahre – nun als Brinkmann-Preis – ein bekanntes und beliebtes Rundstreckenrennen im norddeutschen Raum blieb.Die RSG selber konnte damals immer an die 10 Jugendfahrer und ca. 20 Amateure an den Start bringen. Darunter Fahrer, die in den Ranglisten des Landesverbandes stets unter den ersten 20 zu finden waren. Die wahre Domäne des Vereins war aber nicht das Gelände und auch icht die Straße, sondern das Oval der Radrennbahnen. Eine Reihe von Namen muss hier – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – genannt werden:

Rolf Biermann und Lutz Kleemann, die schon in Wanderlust-Tagen als Zweier-Mannschaft nur durch unverschuldeten Sturz am möglichen Sieg bei der Deutschen Meisterschaft gehindert wurden.Sie waren ein ideales Team, gewannen mehrmals die Landesverbandsmeisterschaft und bildeten den eigentlichen Kern der RSG-Bahnfahrer.
Hinzu kamen Peter Szankowski, Landesverbandsmeister im Sprint von 1965 und der erste Sieger auf der neuen hannoverschen Radrennbahn 1965, übrigens vor Rolf Biermann, Klaus Peter Haupka, erfolgreich im Sprint, Tandemfahren und in der Zweitermannschaft, Horst Weng, als Tempobolzer von der Straße ausgelieghen, Martin wollinger, Straßenfahrer der Spitzenklasse und Alex Peter.
Es waren die verschiedensten Kombinationen möglich. Immer ergab sich eine niedersächsische Spitzenmannschaft im 4000 m Mannschaftsfahren. Noch vielfältiger waren natürlich die Möglichkeiten Zweier-Mannschaften zu bilden; ob Biermann-Kleeman, Biermann-Haupka, Richter-Becker, Biermann-Szankowski, Müller-Peter – immer waren sie erfolgreich.

Für die Nachwuchsarbeit in der RSG, besonders unter der Leitung von Dieter Reusche spricht, dass viele dieser Fahrer aus der eigenen Jugend kamen: Helmut Richter, dessen größter Erfolg wohl später der 2. Platz im Grand Prix von Hannover, hinter Nils Fredborg wurde, Klaus Peter und Karl Heinz Haupka, national und international erfolgreich, sowohl als Einzelfahrer, wie als Mannschaft, Lutz Kleemann, der es bis zur Berufung in den Nationalkader unter Gustav Kilian brachte. Alex Peter, Allroundfahrer auf Bahn und Straße.

Rainer Ripphoff, Karl Heinz Haupka, Klaus Dieter Markwort, Hansi Markwort und Dieter Bergmann hießen damals die hoffnungsvollsten Jugendfahrer. Leider stellten sie alle das Rennrad viel zu früh in die Ecke.

Doch kurz und gut, die Jahre bis etwa 1970 waren im Rennsport die sonnigsten in der Geschichte der RSG.

Parallel zum Rennsport arbeitete ein anderer Mann vorbildlich und unermüdlich am Erfolg: Wanderfahren war in jenen Tagen das Geschäft von Georg Lüders.
In bekannter Weise hielt er seine Schäfchen zusammen und in den zehn Jahren seiner Tätigkeit, war die RSG allein sieben mal bester Verein im Bezirk, im Landesverband mehrfach unter den ersten fünf und erreichte gute Plätze bei den Bundestreffen:

 

Erlangen 1968: 2. Platz
Denzlingen 1972: 5. Platz
Siegen 1974: 5. Platz

Er selber war zweimal Bundessieger bei den Junioren.

Nach seinem Ausscheiden wurde die Arbeit in gleicher Weise von Fred Claaßen fortgeführt.
Allen Teilnehmern in guter Erinnerung, werden die beiden großen England-Touren bleiben, die Fred und Lilli organisierten und leiteten.

Einer der sein Leben lang ganz dem Radsport verbunden war, soll hier nicht vergessen werden. Karl Behrendt, inzwischen verstorben, aber allen die ihn kannten in guter Erinnerung. Er fuhr bis ins hohe Alter große Touren, immerhin Jahrgang 1893 kam er noch 1972 in Denzlingen bei Freiburg als ältester Teilnehmer mit gefahrenen 1200 Km auf den 1. Platz.

Doch wie es so ist im Leben, Erfolge dauern nicht ewig und aus mannigfaltigen Ursachen und Gründen, wie sie auch heute noch vielen Vereinen zu schaffen machen, folgten den fetten nun die mageren Jahre.

Einige Fahrer beendeten ihre Laufbahn, die Berufsausbildung ging vor, Familien wurden gegründet, Vorstandsmitglieder verließen den verein, es gab interne Meinungsverschiedenheiten über den weiteren Kurs, die immer schwierigere Suche nach dem Nachwuchs im Aktivenlager kam hinzu. Kurz und gut, es ging, gemessen an bisherigen Standard, bergab.
Einer der in diesen Jahren, immer wenn Not am Mann war, sofort bereit war helfend einzuspringen und notfalls das Ruder wieder selbst in die Hand nahm, war Otto Osterwalder. Unserem Ehrenvorsitzenden gebührt […] dafür ein besonderer Dank.

Seit Anfang der 80er Jahre zeigten sich wieder positive Tendenzen in allem Bereichen. Im Rennsport gab es gute Erfolge durch die Jugendlichen Jörg Rindfleisch und André Hesselink. Leider waren auch ihre Ambitionen letztlich nicht von langer Dauer, noch vor dem Sprung in das Feld der Amateure entschieden sie sich, den Anstrengungen des Radfahrens zu entsagen.

Erst mit Detlef Wachsmuth und seiner Seniorentruppe Günter Overbeck und Lutz Kleemann wurde eine gewisse Sogwirkung erzielt. Durch Markus Klenke als Jüngstem, Sebastian Fischer und Waldemar Kaczynski, inzwischen beide B-Fahrer, hofften wir endlich wieder erfolgreich Anschluss an das Renngeschehen in Nidersachsen zu finden.

Das Wanderfahren erlitt zwangsläufig im gleichen Zeitraum, wie allgemein so auch in der RSG, durch das Radtourenfahren herbe Verluste. Hier stand für die Zukunft die Aufgabe ins Haus, diesen Zweig unseres Sportes, zum Beispiel für die Familie, wieder attraktiv zu machen.

[…]

Fassen wir alle mit an, getreu unserem Namen im Sinne des Radsportes und als eine wahre Gemeinschaft.

 

Quelle:
Festschrift der RSG Hannover e.V. zum 25jährigen Jubiläum 1989

Post Author: sndstrm